Heute gehts früh los, denn ich muß nachher mein Zimmer räumen. Ein wunderbarer Lauf – mangels Alternativen die selbe Strecke wie gestern. Denn nirgends ist die Stadt so schön wie hier.
Wenig Leute auf der Gasse, sogar die Seilbahn steht still. Als ich dann zurück komme, läuft sie doch.
Der Wind hat gedreht und kommt angenehm von See. Das Wasser kräuselt sich etwas.
Das ist auch nötig, denn die Sonne ist noch stärker als gestern. Heute sind die echten Sportler auf der Bahn. Die würden mich überrunden, wenn die Strecke nur lang genug wäre, so sehen sie jedenfalls aus.
Andere turnen an Fitnessgeräten oder spielen Tischtennis.
Oder Mountainbiken.
Diesen Uferstreifen haben sie nach und nach schöner gemacht und werden das weiter tun, steht auf einem Schild. Vielleicht kann man das von einer Stadt mit 1 Mio Einwohnern aber auch erwarten.
Das Matrosendenkmal, beladen mit tausenden Blumen, steht friedlich da und die Barrieren der Polizei sind auch wieder abgebaut.
So laufe ich bis zum Chinesischen Generalkonsulat und zurück.
Jetzt sehe ich das Tschernomorski Stadion doch noch von der Vorderseite.
Mit Musik haben sie es doch irgendwie raus, auch wenn das hier nicht Neworleans ist. Er hier spielt geil Gitarre.
Auf der andern Seite gehts wieder bis zur Touristenfalle. An den Restaurants wird weiter renoviert, denn heute ist wieder Arbeitstag.
Ich schaffe es rechtzeitig zum Hostel und will mich beeilen, damit ich noch eine halbe Stunde meine gewaschenen Klamotten auf die Heizung legen kann. Das erste Mal seit Moskau, daß sich irgendwas tut, wenn man an der Heizung dreht. Alle anderen hatten kein Konzept für kalte Tage. Als ich rauskomme (darf meine Sachen hier unter gestellt lassen), toben reichlich Kinder herum. Die haben den ganzen Laden gemietet. Ein blitzgescheiter Junge dreht in Sekundenschnelle an seinem Rubiks Cube und antwortet auf englisch, als ich ihn auf russisch frage, ob das seine Schulklasse ist. Nein, ist eine Sportverein, er wartet genervt ab, bis die schnatternden Mädchen sich einig sind, wer mit wem in welchem Zimmer schlafen wird. Wir winken uns zu als ich verschwinde.
Nun lasse ich mich treiben bis heute Abend. Mit fällt ein Schokoladen-Café auf mit Schokolade aus Lviv.
Da will ich dich heute Abend erst hinfahren, jetzt aber Vorfreude und Hochgenuß!
Man müßte mal forschen, wieviel Odessa oder Lviv mit der k. u. k. Monarchie zu tun hatten, denn je näher ich Österreich und Ungarn komme, desto besser scheint die Kaffeekultur zu sein. Denn das steht mir ja in Wien bevor: Korrekt Kaffee bestellen (ich glaube ich hatte immer „großer Brauner“).
Die Katakomben nehme ich jetzt in Angriff. Auf dem Laufweg war immer wieder das Wort zu lesen mit einer Telefonnummer, man soll eine Privatführung buchen. Das muß nicht sein, aber interessant ist es schon. Zu Fuß laufe ich die 2,5 km – später sehe ich, es ist nahe beim Busbahnhof.
Ich muß noch eine Stunde warten, dann gibt es eine russische Gruppenführung für 8€, das reicht bestimmt. Als die Katharina in Russland noch was zu melden hatte, wurde der Bau Odessas angeordnet. Als die Frage nach den Steinen aufkam, hieß es, wenn Ihr keine Gebirge oder Steinbrüche in der Nähe habt, haut doch Tunnel in den weichen Muschelkalk. So einfach war das damals.
Sie wurden rausgeklopft und rausgesägt.
Die Steine werden erst hart, wenn sie an der Luft getrocknet sind, und daraus besteht das alte Odessa.
Zuerst kommt der Bunker aus der Sowjetzteit . der wurde in den 50ern gebaut aus Angst vor Atomangriffen der Amerikaner – gruselig.
Dann kommen wir in den älteren Teil, wo es die dollsten Geschichten gibt von Räubern, die sich hier versteckt hielten, dann unweigerlich die ganzen Heldengeschichten der Partisanen, dann Prostituierte, immer wieder Soldaten.
Irgendwann wird das Licht ausgemacht und wir sind 3 min still. Wer hier verloren ging, der war unweigerlich tot -Wahnsinn. Denn es sind wohl über 2500 km Gänge und Stollen, das wenigste davon auf Karten verzeichnet.
Es gibt zahlreiche wilde unbewachte Eingänge, wer die ausprobiert, könnte bös enden.
Zuletzt sollen wir Schnaps probieren, aber ich kann mich erfolgreich höflich verweigern.
Es soll das größte Tunnelsystem der Welt sein. Zum Schluß geben wir unsere Helme ab.
Mit der Straßenbahn fahre ich Richtung Bahnhof.
Sie haben einen schönen Übersichtsplan, nur ohne Übersicht.
Und schlechte Gleise.
Ich sehe wieder die Markthalle von vor drei Tagen.
Ich gehe genau zum selben Georgier, heute bestelle ich Kinkhali mit Käsefüllung, echt geil.
Nun muß Inhaber wirklich langsam los, mein Zug nach Lviv fährt 22:04 Gleis 1.
So schön das Bahnhofsgebäude ist, sie verzichten völlig auf die Überdachung der Gleise. Bei schönem Wetter kein Problem!