Schon im Morgengrauen kommen wir in Odessa an,
aber der Start in der Ukraine ist mehr als holprig. Morgens hoffen wir noch, daß wir nach den üblichen 2-3 Stunden von Bord kommen, aber daraus wird nichts. Sie halten meinen lieb gewonnenen Freund Schakroh fest, irgendwas stimmt mit seinem neuen Paß, den er extra in Georgien hat machen lassen, nicht und sie rollen seine ganze Geschichte auf seit der Unabhängigkeit von Georgien und der Ukraine vor 27 Jahren. Denn er wohnt und ist verheiratet seit langem in der Ukraine in Dnipro. Stunden vergehen, dabei wollten wir doch zusammen in die Stadt mit dem Bus Nummer 25. Als sie die Fähre schließen wollen bis zum Abend, muß ich ihn da zurück lassen und bin darüber sehr traurig. Wir drücken und umarmen uns, dann werde ich vom Schiff begleitet. Ich hoffe, die haben ihn dann am Abend nach Klärung aller Dinge laufen lassen. Da hinten sitzt er fest.
Auch hier wieder die Erkenntnis : Grenzen sind einfach unsinnig. Zusammen gerechnet habe allein ich bei dieser Reise schon 20 Stunden an Grenzen verwartet (oder wurde selbst ausgequetscht). Ein riesen Aufwand – für nichts! Keine Grenzen = mehr Frieden.
Denkt mal daran, wenn’s darum geht sich aufzuraffen für eine träge Europawahl.
Der klapprige Bus 25 blinkt zwar auf der staubigen Landstraße, weil ich heftig winke und er will gleich halten, während ich mich zu meinem Gepäck runter beige startet er aber wieder durch und ist weg. Na, das läuft ja sehr gut hier. Bis in die Stadt sind es 25 km und hier und da bellen Hunde an Rande irgendwelcher leerstehenen Gehöfte oder Tankstellen.
Was muß ich machen? Erstmal an der Kante Langläufen und nicht von Autos überfahren werden. Dann stelle ich mich wieder auf, auch eine anderer will von hier weg. Der Bus bremst und ich darf einsteigen. Der Fahrer bault mich direkt an, irgendwas mit Bagasch (mein Gepäck paßt ihm nicht). Ich sage höflich, ich möchte gern in die Stadt, aber er beharrt irgendwie auf einer Frage, die ich nicht verstehe. Typ zäher Ex-Spezialsoldat mit obligatorischer Addidas-Jacke.
Aber es wird allmählich besser. Die Leute in dem Bus sind freundlich und organisieren den Ausstieg nach hinten statt wie üblich nach vorn. Denn auch hier steigt man immer vorn aus und bezahlt nach jeder Fahrt, ob eine oder 25 Stationen 20 Griwen (30 Ukrainische Griwen = 1 €). Gepäck kostet extra. Vielleicht meinte er das vorhin. Dee Fahrer ist auch zu anderen Passagieren patzig.
Der Bus ist alt und weckt in mir eine Kindheitserinnerung: Ich durfte mal bei meinem Vater vorn in einem LKW mitfahren und der hatte auch zwischen Fahrer- und Beifahrersitz so eine große mit Kunstleder bespannte Haube, darunter ist der Motor. Genau so sieht es hier vorn auch aus.
Die Industrielandschaft zieht vorbei und der Fahrer ist rabiat, vor allem ist jede Bremsung eine Vollbremsung. Ich kämpfe, um meinen Wagen festzuhalten und habe einen schweren Stand. Aber immerhin, er beachtet die Verkehrsregeln wie auch alle anderen hier. Am Zebrastreifen halten die meisten Autos an und lassen einen rüber – in Georgien absolut unüblich. Nun sind wir in der Stadt und ich fühle mich erstmal wie in Russland – kyrillische Schrift, orthodoxe Kirchen, alte und neue Gebäude mit allerlei Werbeaufschriften versehen, nur ein Geldautomat finde ich nicht auf Anhieb. Aber die Leute sind hilfsbereit.
Auf der Suche komme ich an eine Markthalle, darin unter vielen anderen ein schöner georgischer Stand mit extrem leckerem Essen – Chatschapuri, eine Art würzige gefüllte Schafskäsepizza. Als ich den Stand fotografieren will, machen wir das nach dem Willen des Besitzers richtig: ich muß die Papacha aufsetzen, eine typische Schafsfellmütze – sehr gern, denn ich habe ein Mützengesicht (sagt meine Mutter).
Das Hostel ist sauber und mein Zimmer nicht unbedingt Schöner-Wohnen, aber sehr gut für mich.
Endlich wieder auch ordentliche sanitäre Anlagen.
Erst die Pflicht, das heißt zum Bahnhof, Fahrkarten kaufen.
Denn ich habe einen Plan B: Ab Odessa nach Lviv – Lemberg. Von Lviv nach Wien und ab dort entlang der Donau Richtung Heimat laufen. Vor ein paar Wochen habe ich darüber noch gelästert, denn es ist ja kein Abenteuer – vielleicht, oder eben doch – schaun mer mal. Die Verkäuferin an Kasse 14 sieht aus, wie ich mir eine Odessaerin vorstelle: etwas zuviel Sonne (oder Sonnenbank – wer weiß), etwas zuviel Schminke, aber insgesamt gut aussehend.
Aber sie ist extrem patzig. Ich wolle bestimmt keine normale Fahrkarte, ich wolle bestimmt englisch und da solle ich im Callcenter anrufen, die könnten englisch. Kurzer wirkungsloser Protest und dann stelle ich ich an Kasse 13 an. Die ist richtig nett und beißt sich durch. Denn die lateinischen Buchstaben im Pass will ich Ihr erst in russische Lettern umschreiben, aber sie stellt irgendwas um in der Tastatur und dann geht das. Am Nachbarschalter werden weitere Passagiere abgewatscht. Vielleicht ist die Frau mit dem Busfahrer zusammen.
Nach der ersten (Inlands-) Fahrkarte streicht auch die nette Kollegin die Segel. Ich muß ins Service Center. Da kriege ich die zweite (internationale) Karte. Es ist der unterste im grünen Feld. Hier steht sogar, wieviel freie Plätze sie noch haben in den blauen Tabellen.
Es dauert etwas, bis ich in Odessa was schönes finde.
Die Hauptstraßen in der Stadt sind mal wieder dreispurig – aber im einem Einbahnstraßensystem. Abgase: Stuttgart – Nekartor.
Ich laufe bis zur Oper, die eine Mischung aus Semperoper und Wiener Burgtheater zu sein scheint, was jetzt wahrscheinlich grob falsch ist. Später lese ich: Wiener Neobarock – doch nicht so schlecht! Die Oper ist eines der Wahrzeichen der Stadt.
Sie liegt direkt am Hang runter zum Hafen, dessen Kräne man durch das Grün sieht.
Immerhin der größte Hafen des Schwarzen Meeres, der früher die Hälfte des sowjetischen Umschlages ausmachte.
Weiter Richtung Promedade, denn ich will noch runter ans Wasser, daß muß ja irgendwie hinter dem Hafen möglich sein.
So ist es auch. Erst kommt die ewige Flamme am Denkmal für den unbekannten Matrosen (rate ich). Es liegen frische Blumen da und richtig – 8. und 9. Mai ist ja großer Feiertag – Tag des Sieges.
Das wichtigste Stadion ist auch hier: von Tschernomorsk Odessa (Schwarzmeer Odessa). Sie haben es an einen historischen Überrest drangebaut, der vielleicht früher der Haupteingang war und heute ein Hotel ist – warum nicht.
Es gibt Grillstände und Kaffeewagen bis runter zum Strand. Weißer Sand und jede Menge Gerümpel vom Winter gibt es hier.
Überall wird gehämmert, gesägt, gestrichen, denn die Saison fängt bald an und dann wuchs früher die Millionenstadt aufs doppelte an. Das ist zwar heute nicht mehr so, aber irgendwo müssen die vielen Sommerfrischler ihre Pommes je essen – hier.
Ich bin nun schon bestimmt 10 km gewandert und das reicht eigentlich, trotz 65 Stunden auf der Fähre.
Da kommt mir eine kleine klapprige Seilbahn gerade recht. Gut, daß die Ukraine nicht in der EU ist, dann wäre die nicht in Betrieb.
Ich bin absolut entzückt von dieser Rumpelbahn und vertraue voll auf diese jährlich übertünchte aber im Inneren korrodierte Konstruktion. Und sie hält auch.
Ich bin der einzige Fahrgast und bekomme Anweisungen: „right hand- left leg“. Denn die süßen Hängekörbchen verzögern nicht, werden nicht aufwendig ab- und angehängt, damit die Gäste zusteigen können. Sie rattern vorbei und entweder Du schaffst es oder Du hast die 2€ umsonst bezahlt.
Oben bin ich schnell in der Stadt und gehe noch in eine entzückende Wirtschaft mit Ausblick auf eine große Kreuzung.
Frühstück 7 Uhr bis 23 Uhr – sooo muß es sein!