23-24 Das Schwarze Meer: Überfahrt Georgien – Ukraine

Drei mal war ich im Fährbüro, weil ich unbedingt erfragen soll, wann genau die Fähre geht von Batumi in Georgien nach Tschernomorsk in der Ukraine. Im Nachhinein frage ich mich Warum?

4 Stunden vor Abfahrt soll ich mich einfinden, also nun 20:00 Uhr am Sonntag Abend. Das hätte auch geklappt, wenn mich ein Polizist nicht erstmal auf die falsche Seite über die Brücke des Hafengeländes geschickt hätte. Immerhin, dieser beinahe unverwüstliche Lada, den es nun doch erwischt hat, kommt mir so zu Gesicht. So schlecht können diese Autos nicht sein, wenn sie solange durchhalten.

Nun stehen wir also hier, ein kleiner Haufen Fußgänger, die warten müssen, bis alle großen und kleinen Autos verladen sind.

Eine gute Reihenfolge, denn die zehn Minuten, die wir gebraucht haben, wären echt zu lang gewesen für die In den nagelneuen Autos sitzenden. Die Autos sind fast alle Importautos, sie kommen von Japan über China die Seidenstraße bis hier hoch und werden in die Ukraine oder weiter nach Europa eingeführt – so genannte Grauimporte. Komisch, daß das billiger ist, als sie von Yokohama nach Hamburg oder Rotterdam zu verschiffen und dann hier auszuladen. Globalisierung Hurraa! Das meiste sind Hybridfahrzeuge. Das macht die Sache etwas erträglicher , denn wir müssen bis 23 Uhr in den Abgasen warten, bis wir endlich auf die Fähre dürfen. Kein Dach überm Kopf, keine Sitzbank. Was wäre eigentlich gewesen, wenn es geregnet hätte in den letzten Stunden. Die Kaunas wartet.

Die Zollkontrolle ist eine lasche Handbewegung, als wenn man sich Luft zufächelt. Die Besatzung und Sicherheitskräfte sprechen ausschließlich russisch oder ukrainisch (was fast das selbe ist).

Sie zeigen grob Richtung Schiff. Soweit war mir das auch schon selber klar. Wir tapern querfeldein zwischen Gleisen und Autospuren, keiner weiß den Weg auf der Fähre.

Ich schleppe meinen Wagen über zwei rostige Treppen von Deck 3 auf Deck 5. mit den großen Rädern bewährt er sich wieder mal, bei den anderen geht schon mal eine Rolle ab oder andere kleinere Verluste. Hinter mir noch ein anderer armer Schlucker mit seinem kleinen aber bleischweren Koffer. Ich helfe ihm so gut es geht.

Angeblich gibt es Verzögerungen, weil es diesmal soviel -Autos sind – ein Witz, denn die Decks sind nicht mal halb voll.

Ich finde dann doch noch einen Lift und so kommen der Alte Mann und ich auf Deck 7 an, der Rezeption. Unsere Traube wird nach und nach abgefertigt, eine Nummer auf denn Pass geklebt und eine Kabine zugewiesen 8102. Mal schauen, wen ich als Zimmerkollegen zugewiesen bekomme, denn wir sind ja zu zweit, alles andere war mir zu teuer. Es ist Schakro, der alte Mann hinter mir, der war natürlich auch in der Rezeption gleich nach mit dran, eben der nächste einfach.

Ach das finde ich gut. Der sieht so ehrlich aus und irgendwie süß. Wir schütteln Hände und er soll in das obere Bett, aber das geht gar nicht. Wir tauschen. Den Namen Schakro mußte ich mir direkt in mein Handy tippen, der wollte erst gar nicht in meinen Kopf rein.

Um halb eins liegen wir im Bett, nachdem ich noch Fotos gemacht habe. Tschüß Batumi, Bai Georgien, nun aber wirklich.

Zweimal recke ich mich noch aus dem Bett, denn wir fahren nach wie vor nicht, erst 4 Uhr morgens legen wir ab. Vorher jedoch, gegen 2:30 Uhr plärren sie uns mit dem Lautsprecher aus dem Bett und pochen an die Tür. Wir müssen unten in der Bar erscheinen, georgische Passkontrolle. Na, das hätten sie in den vielen Stunden vorher auch schon machen können.

Die Fähre liegt wie ein Brett im Wasser und ich schlafe ganz gut.

Die Fähre ist Made in Germany – 30 Jahre alt und fuhr lange zwischen Sassnitz und Klaipeda in Litauen. Auf Ihr wurden wahrscheinlich auch die russischen Soldaten und das ganze Kriegsgeraffel nach Russland ausgeführt, als sie unser Land verlassen haben.

Sämtliche Schilder sind auf englisch und litauisch und bei mir werden Erinnerungen wach an mein Abenteuer Baltikum.

http://abenteuerbaltikum.com

Morgens gibt es Frühstück und ich versuche weiterhin herauszufinden, ob wir dafür was bezahlen müssen. Schakro ist mir dabei auch keine Hilfe, er hat keine Brille und kann nicht mal die großen handschriftlichen Notizen lesen, die wir auf der Fahrkarte jeder bekommen haben. Irgendwas mit Tisch 6. vielleicht kann er doch mehr sehen, aber nicht lesen, das könnte sein. Denn er kriegt sein Handy im Gange und spielt heitere georgische Musik ab. Leider hat er nur 4 Lieder und so wiederholt sich alles ziemlich oft. Genau genommen meist nur ein Lied, denn es spielt immer nur eins ab in einer Endlosschleife und nur gelegentlich schafft er es durch heftiges drücken und schütteln, daß das Lied wechselt. Ich habe mich in ihm nicht getäuscht. Er ist ein guter Kerl. Was auch immer in seinem Koffer ist, Klamotten oder Waschzeug sind es nicht.

Er zieht sein seine Lederweste und seinen Pullover aus und so bleibt er die nächsten zwei Tage. Zwischendurch duscht er natürlich und er riecht nicht irgendwie. Wir kommen ins Gespräch, das ist echt holprig aber lustig. Manchmal fünf mal die selbe Frage, bis wir irgendwie weiter kommen. Macht ja nichts, wir haben ja Zeit.

Nicht, daß es überhaupt nur in Russisch möglich wäre, er nuschelt auch etwas und hat einige georgische Begriffe dazwischen. Denn er ist geboren in Lagodechi in Georgien (das lag auf meiner Route) und wohnt seit langem in Dnepropetrowsk (heute Dnipro) in der Ukraine. Er mußte irgendwas klären in seiner alten Heimat und ich glaube, ein Amt hat die Reise dafür bezahlt. Ich gefalle ihm auch und wir haben unseren Spaß. Er ist so trocken und so klar irgendwie.

Zum Beispiel essen wir Frühstück, zu dem wir um 8 Uhr aufgerufen werden – an Tisch 6. Es gibt für alle das gleiche, undzwar keine Brötchen mit Marmelade und Butter + keinen Kaffee. Das hätte ich mir gewünscht. Es gibt eine Art Mager-Omlett + Gurke, Tomate und weißes Pappbrot. Dazu 7 Teebeutel für 7 Personen und eine Kanne heißes Wasser. Schakro ißt sein Omlett und sagt „eto wsjo“ – fertig (das ist alles, das war‘s). Und damit ist alles gesagt.

Denn das war natürlich definitiv zu wenig. In der Kabine gehen wir an unsere Reserven. Erst will er alles geben aber nichts annehmen, nicht mal Wasser. Als ich ihm erkläre, daß ich für das Wasser nichts bezahlt habe, sondern es unten von der Rezeption aus dem Automaten hole, trinkt er. Gut, daß ich mein Teeglas der Russischen Staatsbahn habe, so kann ich ihm meinen Outdoorbecher geben.

Nach und nach nimmt er auch anderes an, er hat Schafskäse aus seiner Heimat mitgebracht, den soll ich kosten, da kann ich jetzt auch nicht Nein sagen. Der schmeckt tatsächlich nicht schlecht, man muß nur über die Verpackung hinweg sehen. Er hat auch Wein mit und selbstgebrannten Vodka, aber da will ich auf keinen Fall ran und er aber auch nicht. Erst denke ich, er will nichts trinken weil er dann dauernd aufs Klo muß, aber das scheint es nicht zu sein. Er lebt wohl generell ziemlich gesund. Er hat eine Datscha, macht Gemüseanbau dort am Dnepr und schwimmt jeden Tag darin, Sommer und Winter, soweit kein Eis ist! Er ist schon 70 und sieht dafür ganz gut aus. Ich habe auf meiner Reise schon 50jährige gesehen, die waren schlechter zurecht. Er hat Frau und drei Söhne (zwischen 35 und 50 Jahre alt) , die arbeiten in Kasachstan als Automechaniker. Da bekommen sie mehr Geld.

Die Leute gucken uns – das ungleiche Paar – komisch an. Er hat ja nur sein Unterhemd an und eine Hose, die im angewachsen scheint. Er ist stark behaart und aber zäh, was die Treppen hoch und runter zum Restaurant angeht und auch beim Einsteigen beim Herumirren auf der Fähre mit seinem schweren Koffer. Ich mit meinen Laufklamotten passe hier auch nicht so richtig hin. Der Durchschnittsreisende hier ist männlich, 30 Jahre alt, sieht aus wie 40, stämmig, raucht, trinkt Bier oder Vodka, hat ein Addidas-Shirt und Jogginghosen an und hat so eine kleine alberne Tasche mit den Wertsachen dabei.

An unserm Tisch bei den Mahlzeiten sitzen auch drei von dieser Sorte + Natalja und Sergej. Sie wohnen in der Nachbarkabine. Sie stammt aus Georgien, er aus der Ukraine, sie wohnen in Kiew. Beide arbeiten seit einigen Jahren in einer amerikanischen Firma für IT – Sicherheit und unter anderem für das U.S.- Militär. Deshalb kommen sie alle paar Wochen nach Wiesbaden in das europäische Headquarter. Sie haben angenehme Umgangsformen und wir unterhalten uns gut auf englisch. Die anderen drei schlürfen und schmatzen was das Zeig hält, den Kopf zwei Zentimeter über dem Teller und sind nach 4 Minuten fertig mit Essen. Dabei gibt es zum Mittag und Abend nicht so schmale Kost.

Es ist zwar nicht mein Essen, aber man verhungert wirklich nicht. Alles machen wir zwei mal durch, denn für die 1000 km brauchen wir ca. 50 Stunden , 20 km/h.

Demnach wären wir am Mittwoch früh um 6 Uhr in Tschernomorsk. Das wäre ganz gut so, dann könnte ich mir in Ruhe einen Bus nach Odessa suchen und dann meine Klamotten im Hostel abstellen. Erst hieß es, wir kommen schon um Mitternacht an. Das wäre doof. Letzter Stand: Mittwoch, 8. Mai 8:50 Uhr und wir sind immer noch an Bord. Ukrainische Passkontrolle in der Bar zieht sich seit Stunden hin. Schakro und ich haben aber einen guten Sitzplatz und warten weiter ab.

Ansonsten gibt es praktisch nichts zu sehen. Am Montag morgen können wir tatsächlich nochmal Abschied nehmen von Kaukasus, aber ist auf dem Foto wahrscheinlich nicht zu sehen.

Das Meer, das Meer und jetzt nochmal das Meer. Leicht ändern sich die Farben und Schattierungen im Verlauf des Tages und wir werden allmählich träge. Ich lese mein Buch, das ich mir für die Fähre herunter geladen habe.

Rosie hat die Eier, die ich nicht habe, um sich in der Wildnis mit den Tieren und dem Frost bis unter 60 grad auseinander zu setzen. Aber ich will das auch nicht. Interessant wie sie das mit den Hunden gemacht hat.

Es ist auf der Fähre wie in einem Sanatorium : Essen, Hände waschen, 1-2 Stunden an Deck, Lesen, Bett, 2 Stunden pennen, Essen… wer hier nicht gesund wird, dem ist nicht zu helfen. Mein Rotz, den ich seit Baku mit mir rumschleppe, wird besser. Bis auf eine „Bar“ mit krachend lautem Fernsehprogramm (meist Kriegs- oder Agentenfilme) gibt es nichts. Die Sauna, das Spieleparadies, zwei weitere Bars- werden nicht gebraucht. Es gibt noch einen Laden, der hat Schnaps und Zigaretten. Nicht mal Schokolade gibt es dort. Auf dem Deck gibt es ein paar verwitterte Sitze, keine Liegen oder so. Ist eben eigentlich nur eine Truckerfähre.

Nach einem halben Tag habe ich jeden Winkel durchstreift.

Am Montag Abend haben wir einen tollen Sonnenuntergang, Teils mit Wolkenschleiern verhangenes, eigentümlich fahles Licht. Sehr schön.

Einmal kriege ich auch einen Delfin abgelichtet, so gut das mit einem Handy eben geht. Sie queren hin und wieder unsere Route.

Am Dienstag streifen wir die Krim. In ca 15 km Entfernung tuckern wir an Sebastopol vorbei. Für die Ukrainer ist das besonders bitter, denn die Krim wird ja von de Russen besetzt.

Ich habe in den letzten Wochen einiges über russische Politik und Machtansprüche gehört: Michail Gorbatschow – unser Held – ist in Russland extrem unbeliebt, denn er „hat das Land verschenkt“. Wladimir Putin hat vor vielen Jahren versprochen: „Ich hole unser Land zurück“. Und so sind die Besetzungen von Abchasien, Spdossetien, Teile Moldawiens und der Krim zu erklären. Das sind alles zurück geholte Gebiete. Ratlosigkeit bei den Fragen, was das für die Zukunft heißt und wie sich Deutschland und Europa verhalten sollten. Jedenfalls wohl nicht wie unser geliebter Barack Obama, der Russland als „regionale Mittelmacht“ degradierte. Das war ein Fehler. Russland hat Power und das merkt man an allen Ecken und Enden. Wenn da nicht die Wirtschaftskrise mit dem geringen Ölpreis dazwischen gekommen wäre, wären sie noch weiter heutzutage. In allen ehemaligen Sowjetrepubliken haben sie großen Einfluß – auch in den scheinbar so unabhängigen wie Georgien oder der Ukraine. Das werde ich mir ansehen wenn wir erstmal in Odessa sind.

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