21 Batumi im Regen, die Leute von hier

Die halbe Nacht hab ich geträumt, da duscht einer und verbraucht das ganze heiße Wasser. Aber es regnet und von allen Dächern und kaputten Dachrinnen klatscht das Wasser in die Höfe und auf die Straßen.

Schon als Kind im Osten Deutschlands hab ich mich gefragt, warum man nicht einfach das Fallrohr neu macht, statt das Haus nach und nach verrotten und zerstören zu lassen. Wir hatten auch so ein Rohr am Haus gegenüber. Nein, die Regenentwässerung haben sie hier in diesen Ländern nicht erfunden. Bei Regen sieht alles auch noch mal trauriger aus. Aus romantisch verträumt, aus morbidem Charme wird dann einfach nur morbide.

Ich dreh mch nochmal rum und warte ab, vielleicht wird es ja irgendwie besser. Denn wenn es etwas gibt auf der Welt, das von alleine besser wird, dann ist es das Wetter. Wir schlafen hier zu siebt in einem Zimmer, sechs türkische Arbeiter und ich. Tatsächlich weiß ich nicht genau, wo alle her kommen, habe aber türkisch erkannt (Günaydyn, Merhaba) und was die Berufe angeht, habe ich keine Ahnung. Bauarbeiter sind es wahrscheinlich nicht, denn sie liegen teils bis nachmittags im Bett und kommen gegen morgen polternd zurück, lassen die Tür offen und schalten ohne Zögern die grelle Birne an, die einsam an der Decke baumelt. Mein Motto seit der Militärzeit: Wer so richtig müde ist, der kann auch pennen.

Diese sechs hier arbeiten vielleicht im Wald, zumindest im Traum. Denn sie sägen, röcheln, husten, schmatzen. Es sind auch fast alle einzeln unterwegs, sie gehören nicht zu einer Gruppe oder so. Einer blinzelt, als ich dann doch von meinem Stockbett herunter klettere. Wir winken kurz, das wars.

Ich mach mir Frühstück. Am ersten Morgen hab ich erstmal mein eigenes kleines Ökosystem geschaffen in dieser schmuddeligen klebrigen Küche: Mit kochendem Wasser Geschirr überbrüht und zusammen mit meinen Lebensmitteln und einer großen Rolle Küchenkrepp in einer oberen äußeren Ecke im letzten Schrank deponiert. Darauf kann ich zurück jetzt greifen und muß nicht jeden Tag von vorn anfangen.

Vielleicht ist es diese Stimmung, die fehlende Heiterkeit und Leichtigkeit in Mark’s Hostel in Tiflis, die mich selbst runter drückt. Da hilft nur laufen. Der Regen ist stärker als gestern.

Die Hafenanlagen fotografiere ich noch.

Die Kräne stammen – wie seinerzeit sehr viele auf der Welt – von TAKRAF ein damaliges Kombinat aus Magdeburg. Das mit dem Eisen, das konnten sie dort immer schon – „Schwermaschinenbau“ war das Stichwort, von dem die Stadt lebte. Immerhin – heutzutage bauen sie dort Windräder, auch wenn es im letzter Zeit Probleme auch damit gibt.

Dann aber bringe ich das Handy zurück ins Hostel, werfe es unter die Bettdecke und laufe weiter auf dem roten Streifen entlang der Promenade.

Selbst Hunde sind kaum draußen, wir kreuzen nur, denn sie wissen, einem (fast) nackten Mann greifst Du halt nicht in die Tasche, der hat nix. Eher schon die versprengten mit Plastikcapes ausgestatteten Touristen.

Bei Regen und kühlem Wetter laufe ich ja gern, wenn denn die Dusche gesichert ist. Die Dusche ist dem Hostel entsprechend, ich hatte es aber auf dieser Reise auch schon noch schlimmer. Warum das eigentlich: Das Hostel lag gegenüber eines eigentlich als sehr gut bewerteten Hostels, das noch schlimmer war, deshalb habe ich das hier genommen.

Später ist man immer schlauer und es ist keine Kunst, nach drei Tagen zu wissen, wo es denn besser gewesen wäre. Ist halt nicht das Hilton oder Country Yard Marriott, an dem ich heute zum zweiten Mal lang laufe, aber wieder keine Fotos machen kann. Mein Handy muß ich schonend behandeln, es soll noch länger halten. Meine Frau hat es mit geschenkt. Bei einer dieser Diskussionen mit Einheimischen um Deutschland, Autos und Geld habe ich das erzählt und sie meinten, sie wollen auch eine deutsche je Frau. Kann ich verstehen.

Hier ist zwar nicht faktisch aber dem Gesetz nach die Frau gleichberechtigt. Oft sind sie die tüchtigeren, härteren im Geschäft. Eine Ukrainerin, die hier seit einem Jahr ein kleines Café betreibt, erzählte einiges über das Leben hier: Die Männer säßen nur herum, diskutierten, rauchten, husteten und tränken Tee den ganzen Tag. Die Frauen arbeiteten fleißig und wären für alles zuständig. Ich will nicht so mitmachen beim Pauschalisieren, aber das hab ich auch schon beobachtet.

Was auch hilft bei Regen: Essen.

Parallel gucke ich auf dem Handy meinen Verein in Deutschland und traue meinen Augen nicht: Jetzt wo es um nichts mehr geht, haben sie das Fußballspielen für sich entdeckt. Das tut gut.

Über die Autofahrer werde ich immer noch nicht fertig: Wegen der großen Pfützen spitzt sich das Problem noch zu: Parallel zur Uferpromenade führt eine gepflasterte Allee. Die Erbauer dachten sich vielleicht, daß durch das Gepolter etwas langsamer gefahren wird, das Gegenteil ist der Fall. Wie wir früher in der Magdeburger Börde als Trabantfahrer auf den schmalen holprigen Verbindungsstraßen: Je schneller desto weniger spürt man von den Schlaglöchern – klar, irgendwann fliegt man drüber. Hier spritzt dass Wasser und ich muß überlegen, wann und wie ich ausweiche.

Nochmal zum Wetter: Hier soll ja subtropisches Klima sein. Und wenn ich morgen bei Sonnenschein laufe, könnte es schnell zu warm und zu schwül sein. Zuhause haben sie 1 grad und Schnee – meine armen Tomatenpflanzen. Hier jedenfalls ist es so warm, daß Bambus wächst wie in Asien.

Die Souvenierstände haben auch Bambusartikel und an der Peripherie werden hohe Leitern aus Bambus angeboten. Bis über 15 cm werden die Stangen dick, über 15 m hoch. Das ist ungewöhnlich für diesen Breitengrad und spricht für die besondere Lage Batumis.

Ich dümpele durch die Straßen und finde dann doch noch wieder so ein Kellerloch mit Shoti Brot – Original Georgisches Brot aus einem Grundofen, der aussieht wie unsere Waschkessel früher. Ich darf fotografieren.

Überhaupt habe ich unweit des Hostels ein paar schöne Läden entdeckt, die ich morgen noch ausprobieren will.

Schade nur, daß dann 200 m weiter ein derart häßlicher Betonklotz steht. Aber auch den gibt’s hier noch in wesentlich häßlicher.

Stolz trage ich mein heißes Brot nachhause. Meine Stimmung geht nach oben.

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