19 Tiflis – Poti – Batumi (Zugreise)

Gestern Abend sahen wir mit dem Beamer einen tollen 17 min Animé Film zu einer Zugreise von ‚Madame Tutli Putli‘ – spannend, toll gemacht, absolut sehenswert!

Vielleicht war das der Grund, warum ich alle halbe Stunde wach bin, bis es endlich Morgen wird. Oder weil ich nochmal in ein anderes Bett umziehen mußte und weil Abschiede immer blöd sind. Gute Zeit Euch, wo immer Ihr sein werdet, Alex, Marcelo, Marie, Ophelie, Coco, Kazumi, Mac, Nana, Mark und all Ihr anderen von der Gang in Mark’s Hostel da drüben in der Stadt.

Der Zug wurde in China ausgemustert, deshalb sieht er bischen aus wie ein Transrapid. Das Schild ist neu.

An den Sitzen sind noch die Hinweisschilder auf Chinesisch.

Immer noch bin ich nicht fertig mit dem Laufthema – wie auch. Denn heute fährt mein Zug nach Poti ganz dicht an meiner geplanten Laufroute entlang.

Die Landschaft sieht aus wie im Western.

In der alten Hauptstadt Mtzecha halten wir nicht mal, aber in Gori – potthäßlich und die Geburtsstadt des „stählernen Mannes“, Josef Stalin.

In Gori stehen auch unzählige Güterwaggons mit Öl aus Baku. In jeden Wagen passen 75 qm, davon habe ich heute bestimmt 1000 Waggons, dann sind das 75 Millionen Liter Öl – Nafta – нефть.

Ich sitze rückwärts, aber immerhin an dem einzigen nicht beschlagenem oder sonst wie blinden Fenster und ich fotografiere viel.

Ab Chaschuri

geht es hoch ins Surami Gebirge (glaube ich).

Wir fahren durch einen bestimmt 5 km langen Tunnel

und halten in Tsipa.

Erstmal geht es nicht weiter und das wissen auch alle. Angeblich nur 5 Minuten stehen wir hier, sagt ein Orthodoxer in seinem Reiseornat.

Draußen wird geraucht und eine Frau mit weinroter Jacke schimpft die ganze Zeit, wird immer lauter. Ist aber ein normales Verkaufsgespräch. Sie hat Fladen für uns Reisende gebacken aber keiner beißt an. Vielleicht sollte sie ihre Stimme etwas dämpfen, sonst bekommt man ja Angst (als verzärtelter Mitteleuropäer).

Ich gehe erstmal rüber zu dem ärmlichen Kiosk

und kaufe bei den Damen was verpacktes – diesen Dreierpack von Sonnenblumenriegeln mit Honig für 1,50 Lari.

Dann sitzen alle wieder aber es geht doch noch nicht weiter. Die rote Frau mit den Fladen hat aufgegeben, nun sitzt sie in einem Verschlag und wartet den nächsten Zug ab, denke ich.

Die Szenerie löst sich nicht auf, alle stehen wieder draußen und rauchen. Jetzt wittert sie ihre zweite Chance und fängt wieder an, erst rufend dann immer eindringlicher werdend und ich sage mir. „Mensch Herr Lange, kauf ihr einfach einen ab, dann ist Ruhe“.

Auf den Stufen des Waggons sitzend startet der Verlaufsprozeß. Sie will 3 Lari und ich habe nun nur noch 2,50 oder einen 20er Schein. Sie kann nicht wechseln, ich frage die Raucher, ob einer wechseln kann – nichts. Einer der Leute sagt wohl zu der Frau: „Nimm doch die 2,50 bevor Du gar nichts hast“. Jedenfalls nimmt sie die 2,50 und ich hab noch Reserven, falls die Zugfahrt sich mehr hinzieht als die ohnehin über 6 Stunden für gerade mal 250km. Das Ding ist sogar warm, gefüllt mit Spuren von Schafskäse, nicht schlecht.

Inzwischen kommen immer mehr Hunde an die Bahnstation, die übrigens ohne Ort auskommt. Sechs verschiedene habe ich gezählt, machen aber eine harmlosen Eindruck. Irgendwann geht es weiter, nachdem die Lokführer mehrfach auf und ab gelaufen sind. Gut, daß sie vorher was gegessen haben. Der Führerstand ist voller Lebensmittel und sie essen und trinken während der Fahrt unentwegt.

An der Strecke wird gebaut, neue Tunnel und Brücken, wahrscheinlich ein Gleis mehr. Das ist hier im Gebirge schon eine riesen Aktion.

Ich sehe immer wieder meine Straße, teils nur mit Schotterbelag und wegen der Bahnbaustellen mit Umleitungen. Kaum ein Ort und wenn, dann sowas hier. Was soll das sein, ein Gulag?

Die Natur hier ist atemberaubend im großen wie im kleinen, von Ferne schneebeckte Kuppen (auch des kleinen Kaukasus) und von Nahem steile Hänge, reißende Bäche. Ich versuche zu fotografieren, aber immer wenn ich das Handy hochnehme, kommen Bäume.

Ich habe den Eindruck, ich kann das steuern. Wenn ich Bäume haben will, nur kurz das Handy anheben…

Die Kolchis Tiefebene liegt vor uns.

Rechts der große,

links der kleine Kaukasus. Unglaublich nach wie vor.

Ich kriege jetzt schon den Blues wenn ich daran denke, am Sonntag Nacht das Land zu verlassen. Auf den letzten Kilometern ist Sumpf, üppige Vegetation und dazwischen Wasser.

Dann kommt Poti, eine abgewrackte Industriestadt, die zwar hin und wieder von Investoren heimgesucht wird, aber dann doch hoffnungslos zurück bleibt. Die Stadt sieht wirklich schlimm aus. Gut daß meine neue Fähre jetzt ab Batumi geht. Ich suche den Busbahnhof.

Den hab ich dann, aber Bus nach Batumi fährt woanders.

Ich schaffe nur noch, kurz dieses Reiterstandbild zu knipsen und dann fährt er schon, der bewährte Sprinter extralang. Es sitzen schon einige drin und er wollte gerade los, da sieht er mich und winkt mich heran (wie er mich erkannt hat, keine Ahnung, vielleicht wurde er auch angerufen, daß da gleich noch einer kommt). Keine Ahnung, was es kostet, Hauptsache los. Die Scheiben sind getönt und eigentlich werden die Fotos nichts.

Der Fahrer ignoriert die Verkehrsregeln eigentlich komplett und fährt 90 im Ort und außerhalb, was der Wagen hergibt – zwischen 130 und 140.

Wir fahren jetzt auf den ersten 15 km die Strecke, die ich sonst nach Poti gekommen wäre und dann immer am Meer lang.

Da ist es, das Schwarze Meer – sieht man kaum, weil es so diesig ist. Auch hier wieder reichlich Bäume, sobald ich fotografieren will.

Statt die Ungehungsstraße fahren wir durch eine Kette von Kleineren Küstenorten. Das geht nur schneller, wenn man rücksichtslos mit knapp 100 da durch brettert, Fußgänger gnadenlos von der Straße hupt und auch sonst jeden anderen Verkehrsteilnehmer mit Staccato-Hupen daran hindert, in die Quere zu kommen. Unglaublich. Ich habe 13 Schutzengel, Kreuze und Talismänner gezählt, die um den Fahrer gruppiert sind. Die brauchen wir auch.

Batumi erkennt man von weitem, denn sie haben sich da eine auffällige Skyline gebaut, die aber von Nahem gar nicht so beeindruckend ist.

Noch ein paar Schritte und ich bin wirklich am Meer!

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