13 Samaxi – Sheki (Tour an den Hängen des Kaukasus)

Nachdem den Hunden und mir gestern nichts passiert ist, will ich, daß das so bleibt und wir uns nicht verletzen. Das bedeutet, ich laufe hier nicht mehr in der freien Natur. Heut morgen vor dem Frühstück sondierte ich die Lage. Wenn ich schon am Busbahnhof am Rande der Stadt übernachte, dann will ich auch was davon haben.

Es gibt keinen Fahrplan, keine Haltestellen und Busse fahren nur nach Süden und nach Osten (also zurück Richtung Baku). Der Platz ist asphaltiert, das reicht doch auch. Es gibt mal wieder verschiedene Aussagen der Taxifahrer, mit der Zusammenfassung: Alle 30 Minuten fährt ein Bus nach Ismayilli – Gabala – Oguz – Sheki,

allerdings nicht von diesem Busbahnhof, sondern am anderen Ende der Stadt.

Na das ist doch gut, dann mache ich mir in Ruhe Frühstück und dann lasse ich mich zu dem anderen Busbahnhof fahren und dann auf nach Sheki.

Über Samaxi steht zwar auch manch schönes in Reiseführern aber es ist wirklich nichts zu sehen hier. Das Weingut Shrivan, nachdem auch das Hotel benannt ist, in dem ich abgewiesen wurde, liegt so blöd an der Umgehungsstraße, daß ich es erst beim Rausfahren sehe.

Ismayilli hat auch Weingüter und man solle den unbedingt probieren, aber das kann ich auch in Sheki. Die Stadt ist wesentlich größer (und für mich kann sie im Moment nicht groß genug sein) und es gibt echte Kultur zu sehen.

Ich halte mir ein Hintertürchen beim Vermieter offen, denn immerhin habe ich schon zwei Nächte im Voraus bezahlt, aber den Verlust von 10€ würde ich verschmerzen müssen. Ich komme mit gepackten Sachen wieder runter und die Aussage ist nun, es gibt keinen zweiten Busbahnhof. Alle Taxifahrer wollen mich nach Ismayilli fahren, aber Sheki, das ist ihnen doch zu weit. Alle bis auf einen – Tarif. Er heißt sicher nicht Rabatt mit Nachnamen- Tarif Rabatt- haha.

Er überlegt, welchen Preis er macht und rechnet wohl nicht damit, daß ich nicht handele: 120 Mannat = 65 € für 150 km Luftlinie, also bestimmt 200 km, immmerhin werden wir stundenlang unterwegs sein. Ich hab damit ein gutes Werk getan. Er ist happy und wir starten unverzüglich in einem alten roten Ford Transit mit 225.000 oder 325.000 auf dem Tacho, das wußte er nicht so genau.

An der Bushaltenstelle 2 km weiter lesen wir noch eine junge Dame auf. Sie ist Studentin in Samaxi (Lehrerin für Mathematik) und will nach Hause nach Gabala. Ihre Fahrt ist ja nun auch schon bezahlt. Noch ein gutes Werk.

Zunächst geht es bis auf knapp 1000 m hoch, es hagelt heftig und gegenüber ist der Schnee bedeckte Kaukassus zu sehen. Grandios.

Dann geht es runter bis auf das Niveau eines zur Schneeschmelze reißenden Flusses, der nun nur einige lehmige Rinnsale bietet und einem bestimmt 100 m breiten Bett aus grauen Flußkieseln. Die könnte man direkt so abfüllen und im Baumarkt an uns deutsche Spießer verkaufen.

Tarif fährt so wie ich, nur enthemmter und er darf das. Mein Gurt auf dem Beifahrersitz ist kaputt und ich will ihn wenigstens alibimäßig anlegen, falls die Polizei kommt. Er will das nicht, später legt er seinen auch an. Von gestern weiß ich, vorn ist der Gurt Pflicht, ein Verstoß kostet 20 Euro. Tarif wirft eine leere Zigarettenschachtel aus dem Fenster und fragt, ob wir das in Deutschland auch so machen? Natürlich nicht! Er fragt, warum nicht? Wegen der Umwelt – er zuckt mit den Schultern, ob sie nicht schön sei die Umwelt in Aserbaidschan. Doch das ist sie, atemberaubend schön, wirklich.

Ich knipse mich dumm und dämlich.

Am Straßenrand brutzeln arme Frauen in oder auf alten Ölfässern Fladen und Fleisch. Sie stehen den ganzen Tag im Rauch und keiner kauft etwas.

Die Umwelt wird immer noch schöner und grüner. Es kommt eine Region, in der es unzählige Grillplätze und kleine Freizeitbetriebe gibt. Wir fahren auf und ab über die Ausläufer des Kaukasus, genau so hatte ich mir die Route gedacht.

Ich halte immer Ausschau nach Hunden, denn ich will meine Entscheidung irgendwie bestätigt wissen. Der eine oder andere döst am Straßenrand aber aggressiv ist keiner. Manche Gehöfte sehen genau so aus, als daß sie von dieser Art Hunden bewacht werden könnten. Am Straßenrand pinkelt ein einsamer Radfahrer aus Mitteleuropa und ich denke, den hätten wir nach seinen Erfahrungen mit Hunden fragen können. Zu spät. Dann nochmal ein Paar in der Gegenrichtung. Ich zwinge Tarif anzuhalten und renne Ihnen nach. Sie halten an und erzählen. Blöd nur, daß ich die Namen nicht im Kopf behalten hab. Sonst könnte man sie im Netz suchen. Sie kommen aus Holland, über Deutschland, Frankreich, Schweiz, Italien, Albanien, Griechenland, Türkei, Georgien und wollen in Baku auf die Fähre nach Kasachstan. Das sind wahre Helden, aber was ist mit den Hunden?

Sie hatten schon große Probleme, speziell Georgien empfanden sie als das schlimmste Land, was Hunde angeht. Die Kaukasischen Schäferhunde werden so abgerichtet, daß sie auch gegen Wölfe verteidigen und die sind dadurch sehr aggressiv. Zu zweit können Sie sich als Radfahrer abschirmen. Sie haben verschiedene Strategien: Voll Speed auf sie zufahren, brüllen und ausholen als wirft man Steine, das schreckt die meisten schon ab. Oder wirklich etwas werfen oder eine lange Gerte schwenken, das macht den Eindruck von Größe und Übermächtigkeit, dann denken Sie man schlägt. Als Läufer allein habe ich keine Chance, sagen sie. Sie sind dann oft auch schnell weggefahren und ein paaar Mal war es echt knapp. Meine absolut erfolglose Googelei soll ich nochmal versuchen. Das einzige was ich finden kann ist eine Petition von PETA gegen das töten von Hunden in Aserbaiddschan, das will ich nun auch nicht, natürlich nicht. Eingaben ‚Bike‘ und ‚Dog‘, dann kommen wohl Abwehrstrategien. Ich bin zwar nicht glücklicher, aber ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung. Meinen Plan kann ich begraben. In den Ländern Bulgarien, Rumänien, Albanien, Griechenland, Türkei und weiter auf der Seidenstraße läuft man nicht einzeln frei rum. Abends schon gar nicht.

Wir umarmen uns und, ich wünsche ihnen viel Erfolg, Glück und Freude auf dem Weg nach Osten. In Oguz essen wir etwas typisch aserbaidschanisches bei bestem Ambiente und an frischer Luft, herrlich!

In Sheki fahren wir bis in die Ortsmitte, wie eine Stadt mit 64.000 Einwohnern sieht sie nicht aus, aber ist schon groß genug, daß man abends nicht direkt von einem Hund angefallen wird.

Ich werfe mein Gepäck ab und mache mich auf die Socken zur Karawanserei und zum Sommerpalast des Khan, und zwar nicht Olli Kahn. Dabei hätte der seine helle Freude an dem Palast, obwohl er schon 1762 Jahre alt ist.

Das Besondere offenbart sich erst von Innen. Leider darf man nicht fotografieren aber es gibt auch keine Broschüre oder so. Denn die kleinen bunten Scheiben sind ohne Nägel und ohne Kleber haargenau eingepasst.

Der Museumsführer ist ein junger kleiner schmächtiger Mann, er will auf jeden Fall die Deutungshoheit und das umfangreichere Wissen haben. Ich glaube ihm das, obwohl er auf manch eine einfache Frage keine Antwort hat. Er erklärt alles auf aserbaidschanisch und ich muß ihm jeden Fakt einzeln aus der Nase ziehen. Wir sehen 5 Räume und bei jedem Raum frage ich ihn, welche Funktion denn dieser Raum hatte. Entrance room, guest room, writing room, Khans personally room. Man muß jetzt nicht denken, daß er dann mal bei dem letzten Raum freiwillig gesagt hätte, wozu der gut ist. Dabei fand ich den am schönsten: womens room.

Dann gehe ich in das Zentrum zur Bewahrung der Handwerkskunst, und die sind wieder drauf, wie ich sie kenne und liebe. Ja , ich soll Fotos machen, woher ich Russisch kann – achso- Soviet Germania – alles klar!

Ich soll Fotos machen und sie sind gut drauf. Sie machen Tonarbeiten und bemalen diese. Sie machen Gipsabdrücke und daraus Formen. Im Mai soll hier ein wichtiges Internationales Forum dazu stattfinden.

Dann ist Feierabend hier, ich kam gerade noch rechtzeitig. Die Souvenirhändler haben noch geöffnet, aber was soll ich mit so einem Tontopf.

Spannend auch die Karawanserei, kein Treffen mit Campingwagen sondern wohl Lager von Händlern und Reisenden auf der Seidenstraße.

Hier wurde selbst auch Seide hergestellt. Ein paar Franzosen haben hier ein Zimmer, jedes mit einem Freisitz unter dem Bogen zum Innenhof.

Das mit der Beherbergung klappt also immer noch. Es ist nicht voll belegt. Ein paar Italiener, die durch die Stadt irren nach einem Restaurant, wohnen auch dort. Sie sind wegen der Kultur hier. Ich versuche zu helfen, erkläre Ihnen, daß sie unterscheiden müssen zwischen Teestube, Kafe, Stolowaja und Restoran. Stolowaja (stammt aus dem Russischen) sind die erste Wahl, einfach, gutes Essen. Restoran ist ohnehin selten, oft nur abseits an den Ausfallstraßen (da ist Platz etwas neues großes zu bauen).

Ich treffe auch ein Paar aus Slowenien, die machen Urlaub wie ich ihn jetzt machen soll. Sie kamen die 200km mit dem Nachtzug aus Baku – 9 Stunden.

Jetzt sehe ich ein tolles Schild, das ein Projekt zur Stadtentwässerung ankündigt, das Beginndatum wurde überklebt mit November 2016.

Na, so richtig weit sind sie noch nicht gekommen. In dem Gebirgsbach bildet sich ein Plastikstrudel.

Ich suche nach einem Restaurant, das mein Hostelbesitzer mir empfohlen hat. Als ich denke, ich habe es (ist eigentlich nur ein Kafe, hat aber eine Speisenwerbung draußen angeschlagen), ist es dann doch nicht besonders. Na egal – die kleinen Abenteuer sind eben auch klein. Die Stadt liegt malerisch in der Abendsonne.

Es ist dann doch schon dunkel, als ich zum Hostel zurück trotte, aber auch andere sitzen noch in einem improvisiert wirkenden Biergarten.

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