Schon Tag 10 meines Abenteuers Transkaukasien und ich bin relativ wenig gelaufen, gemessen an dem, was ab morgen kommt. Es war vielleicht ganz gut, die luxuriösen Tage der kargen Steppe voran zu stellen, denn bisher war es noch sehr kalt, auch hier im Süden. Heute war es schon schöner und am Nachmittag scheint sogar die Sonne.
Außerdem konnte ich mich schon gut an Land und Leute gewöhnen, soweit sich das dann auf das platte Land übertragen läßt. Guten Tag heißt Salam, Danke heißt Bok, habe ich heute in einer kleinen Gastwirtschaft hinter dem Bahnhof gelernt. Diese Art Verpflegungspunkt wird zukünftig oft der einzige weit und breit sein. mit Vodka sind sie gut bestückt – für den Notfall.
Es ist natürlich ein kleines Abenteuer, dort reinzugehen und mit Händen und Füßen irgendwas zu bestellen. Die Herrenrunde – jeder an seinem Tisch und alle traditionell stark zerfurcht im Gesicht – versucht, sich einen Reim darauf zu machen, warum ich hier bin. Einer, ziemlich stark betrunken, bot mir ein Stück Fisch an, das er auf seinem Teller hat liegen lassen. Auf dem Dorf kann ich mir das wahrscheinlich nicht leisten, wenn ich auf die Kooperation der Leute angewiesen bin. Aber hier ist es anders, es gibt unendlich viele von diesen kleinen Spelunken, teilweise unten im Keller oder tief in Hinterhöfen ohne Tageslicht. Ich frage mich, wer geht da rein?
Denn das ist die Rückseite der herrlichen, reichverzierten Blöcke an den Boulevards mit schmücken Fassaden. Die sind wirklich in großer Zahl vorhanden und geben der Stadt etwas mondänes.
Auch den Seniorchef des Landes habe ich besucht in Form eines Denkmals gegenüber der Zentralbank. Inzwischen hat er an den Junior übergeben, die Ehefrau ist Vizepräsidentin und der Rest der verzweigten Familie mit entsprechend repräsentativen Ämtern ausgestattet.
Ich weiß nicht, wie sie sie von den Sowjets übernommen haben. Sie haben die Hauptstadt jedenfalls zu einem prosperierenden Hotspot gemacht und kommen in den Rankings immer weiter nach vorn.
Zwei wichtige Dinge habe ich heute zu machen: Azerpoçt – das Postamt, um Briefmarken zu kaufen, Karten zu schreiben an meine Eltern und meine Schwiegermutter. Keiner weiß, wo das Postamt ist, denn keiner schreibt mehr Briefe. Ich frage mich durch und muß in der hypermodernen Filiale eine Nummer ziehen. Geschlagene 40 Minuten warte ich auf meinen Aufruf, dann bekomme ich die Marken im Gegenwert von 1,80 Manat = 90 cent. Ich habe beobachtet, warum es trotz erstklassiger Organisation so lange dauert: Die Leute kommen und fragen etwas, dann bekommen sie ein großes Formular und das füllen sie dann im Schneckentempo aus. Das dauert halt, auch wenn man in diesem Staat schon sehr viel Online machen kann.
Da geht es mit Punkt zwei wesentlich schneller: Azercell – die Telefongesellschaft. In Null komma nix habe ich einen Vertrag für 4 Wochen unbegrenztes Volumen für 16€. Der Mitarbeiter nimmt mein Handy und tippt sich in Windeseile durch die Menüs, ungeachtet der deutschen Beschriftung, klickt parallel im Computer herum und dann ist fertig. Keine 10 Minuten. Ich hoffe, die richtige Firma erwischt zu haben, die auch auf dem Land guten Empfang hat.
Ich erlebe dann doch noch das, was mir irgendwie zu fehlen schien: Geordnetes Verkehrschaos, erst recht, weil ja soviel gesperrt ist überall. Die Leute hupen genervt und wollen nicht mal mehr auf die Polizisten hören. Wir Fußgänger gehen, wenn alles kurz steht, zwischen den Autos durch.
Die Taxifahrer warten an allen Orten auf Kundschaft und wer kein Taxi hat, spielt mit seinen Kumpels ein Brettspiel namens…
Nun noch Kaffeepulver im Supermarkt besorgen, denn in einem Land der Teetrinker gibt es löslichen Kaffee aber kaum ‚richtigen‘. Gegenüber des Hauptbahnhofs gibt es eine Art Edelsupermarkt mit Preisen wie bei uns, mit anderen Worten: Hier kaufen nur begüterte ein und da gibt’s auch alles was der verpämpelte europäische Gaumen so kennt. Teils hapert es nur daran, daß ich die Schilder nicht deuten kann – is Wurscht, is eh nur Werbung.
Die Old City, die richtige kleine Altstadt inklusive Feigenbaum ist beeindruckend.
Ich bummele durch den nichtkommerziellen Teil und sehe mir eine Ausstellung über Foltermethoden des Mittelalters an.
War man schon generell nicht gut beraten, im Mittelalter geboren zu sein, hatte man endgültig geloost, wenn „Mann“ was ausgefressen hatte.
Gut gefallen hat mir der violinförmige Holzkragen um streitsüchtige Weiber abzukühlen. Allerdings, ich weiß gar nicht, ob es solche überhaupt gibt.
Die Frau mit dem Pizzarolltrick ist toll, sie paßt so schön ins Klischee.
Selbst aus der Uraltstadt blickt man zwischendurch auf die Curbs der Formel1 Strecke.
Ich kann mich darüber nicht beruhigen, daß die das dieser Stadt zumuten. Das Rennen geht im Kreis herum um diese tausend Jahre alten Mauern. Unglaublich. Dieser Tschaika, ein Auto der Sowjetischen Oberen, fährt nicht mit beim Rennen.
Was ich nicht geschafft habe, ich aber noch in der Provinz drauf hoffe: Hamam, Sauna. Auch diese hier ist leider geschlossen.
Ich könnte noch was einkaufen, aber die Dinge sind echt zu schade für mich.
Moin Guido, habe eben erst angefangen zu lesen. Aber dann alle Posts auf einen Rutsch. Großartig, was Du da alles erlebst. Respekt!
Schöne Grüße aus Hamburg
Stephan
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Hai lieber Stephan, gerade noch rechtzeitig, denn jetzt beginnt das Abenteuer. Ich schreibe gleich die Geschichte 11 und dann weißt Du was ich meine. Lieber Gruß, Guido
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