Heute laufe ich etwas weniger und komme den Sehenswürdigkeiten mit der Metro bei. Genauer gesagt mit dem MZK Moskovskij Zentralni Kolzo – Moskauer Zentraler Ring – das ist die Linie 14, die einmal außen rum sämtliche weiteren 13 U-bahnlinien verbindet.
Sie verläuft oberirdisch.
Zuerst verlaufe ich mich erstmal und schaffe es, die einzige Station aufzusuchen, zu der ich zu Fuß muß. Dafür aber habe ich den Triumphbogen gesehen.
Die Bahn führt im Kreis um das erweiterte Zentrum der Stadt und dafür haben sie kräftig gebaut. Mit jeder Station wächst meine Hochachtung vor dem, was hier die letzten Jahre entstanden ist.
Sie haben auch was gegen den Feinstaub. Davon habe ich damals im Russischunterricht auch schon gehört: Wasser Marsch! Die Straßen werden ständig bespült und bleiben so sauber und das Salz vom Winter ist gleich mit weg.
Immerhin ist die Stadt auf Sumpf gebaut und deshalb muß alles ordentlich tief verankert werden. Ganz sicher geht auch so manches Stück des alten aber maroden Moskau verloren und ganz sicher auch viele alte Industriebrachen, die jetzt die Stadt an Wachstum hindern.
Eine unglaubliche Zahl von Autobahnen, Bahnlinien, Hochhäusern, Shoppingcentern und Business Centern wurden in den letzten 20 Jahren errichtet. Die Bahn ist super modern und auch die englische Übersetzung der Schilder und Ansagen haben sie gut hinbekommen, teilweise besser als bei uns. Wahrscheinlich gab es den letzten Kick dazu im letzten Jahr bei der Fußball WM.
Ich sehe hinter der Schallschutzwand einen alten Fiedhof und steige an der nächsten Station aus: Botanischer Garten. Na das klingt doch gut, obwohl es hier erstmal nicht danach aussieht.
Der Friedhof ist wahnsinnig eng, hat aber Würde und Magie. Jede Grabstelle und sei sie noch so klein, hat einen eigenen Metallzaun,
die neueren haben Marmoreinfassungen.
Ich rätsele noch, wer ausgewählt ist, hier bestattet zu werden, denn das ist sicher nicht jeder. Bei 12 Millionen Einwohnern müßten auch die Friedhöfe riesig sein.
Der Botanische Garten erschließt sich mir nicht, der ist irgendwie woanders. Auch ein Hinweis auf ein Café verläuft im Sandweg. Eine Kuppel sehe ich von Weitem und laufe einen kleinen Schleichpfad folgend am Flüßchen Jausa auf sie zu. Sieht aus wie ein Dom oder so, jedenfalls nicht orthodox. Ich komme an einem armselig wirkenden Gebäudeensemble vorbei, an dem fleißig gewerkelt wird. Überall Zäune und BohrmaschinenLärm. Auf den Zäunen Steht WDNH also ВДНХ auf russisch und ich hatte mich schon gefragt, was das heißt. Es gibt auch Haltestellen, die so heißen. Ich bekomme es bis zum Schluß nicht heraus, aber ich weiß jetzt was es ist – eine Art Vergnügungs- Ausstellungs- und Wissenschaftspark mit angeschlossenem Jahrmarkt. Davon hab ich den Hintereingang erwischt!
Vorher komme ich an einem kleinen Restaurant vorbei „Kombüse“ heißt es und soll holländisches Flair haben. Es ist eine ziemliche Bruchbude, aber gemütlich. Zum Essen wird Roggenbrot gereicht mit Senf. Ich mache es meinen Nachbarn gleich und streiche mir vorsichtig auch etwas davon aufs Brot. Ein Bissen und ich sacke kurz still in mich zusammen. Was auch immer zwischen Gaumen und Gehirn ist, es kann nicht viel sein, die Schärfe schießt nach oben durch. Es hat vielleicht auch seinen Grund, warum die Frau am Nachbartisch das nicht anrührt. Vielleicht weil die Schärfe schnell nachläßt oder weil die Männer schon rübergucken, ich entschließe mich das eine Stück Brot aufzuessen und beiße beherzt ab. Da fliegt mir kurz das Dach weg! Ich muß den Rest später unter einem kleinen Speiserest verstecken, ein drittes Mal abbeißen schaffe ich nicht. Die Frau am Nachbartisch macht sich übrigens als Nachtisch mehrere schöne Brote damit und ißt ungerührt…
Die Gebäude werden stattlicher und von weitem sehe ich eine echte Rakete! Wow, so ein Ding haben die da ausgestellt.
Es kommt noch besser: Die Kuppel gehört zu einer Kosmos- Ausstellung, also eine Kathedrale der Technik.
Drinnen ist alles, was die sowjetische und russische Raumfahrt zu bieten hat, auch eine Kopie der Raumstation MIR.
Echte Sateliten, Raumanzüge, Triebwerke und jede Menge Propaganda. Das alles ist absolut beeindruckend, auch wenn ständig darauf hingewiesen wird, daß man wesentlich besser ist als alle anderen zusammen. Die Halle selbst ist auch beeindruckend.
Zum Beispiel kommt ein Modell der europäischen Ariane Abschußrampe nicht ohne den Hinweis aus, daß sie viel kleiner ist als Baikonur und daß die Ausrüstung von Roskosmos-Firmen stammt. Die Transportraumschiffe zur ISS – meist Sojus, die Verweildauer im All – überragend. Insgesamt waren seit Jurij Gagarin 121 Kosmonauten im All.
Hier sehe ich meine Laufroute wieder.
Der Kontrollbildschirm der ISS live:
Am Ausgang gibt es einen Automaten mit echter Weltraumnahrung. Hoffentlich ohne Senf.
Zum Abschluss stelle ich mich noch unter die Wostok- Rakete, echt ein Riesending.
Dann schlendere ich auf der Hauptallee entlang und mir wird klar: Das war das Gelände der Allunionsausstellung, einer Leistungsschau der Planwirtschaft und der sowjetischen Errungenschaften. Davon hatte ich im Russischunterricht gehört. Jede Sowjetrepublik hatte ihren eigenen Pavillion, der größte vorn am Haupteingang war natürlich der der Russischen Sowjetrepublik.
Heutzutage ist vieles davon stark renovierungsbedürftig aber auch da sind sie dran. Die Pavillions werden den ehemaligen Besitzern jetzt wieder angeboten als Landesvertretung gewissermaßen und die wirklich treuen machen mit. Allen voran Belarus – Weißrussland.
Auch Kasachstan,
Und Turkmenistan.
Der ehemals estnische Pavillion wurde wohl an Kirgistan verkauft, na, macht ja nichts, vielleicht haben die ja etwa den gleichen Stil. Auf jeden Fall ist der frisch renoviert.
Die Moskoviter Lieben diesen Park und spazieren hier zahlreich herum, obwohl nichts los ist.
Ich komme zum Haupteingang und steige in die Tram nach Ostankino. So heißt doch der Fernsehturm! Je näher ich komme desto beeindruckter bin ich. Mit ber 500 m das höchste Bauwerk Europas – seit 1970. Hier mit seinem Architekten.
Da muß ich hoch. Ich scheue auch den weiten Weg zur Besucherkasse, vier Schleusen und 2 x Körperscan nicht. Es ist wenig Betrieb und das ist mein Glück. Wir fahren bis in 337m Höhe und dann bin ich oben.
Wow, so hoch war ich noch nie (doch im Flieger) und bleibe fast zwei Stunden um alles genau zu studieren. Die Stadt hat einen Durchmesser von bis zu 100 km, das kann man von hier oben alles sehen – gefühlt.
Da unten ist auch wieder die ВДНХ, links die Kosmos- Kuppel, rechts das Haupttor – quer über die Bildmitte die Hauptallee.
Ich mache zig Fotos.
Unten hat der Wachmann die Nummer meines Gepäckfachs verwechselt und wir probieren ein bischen herum, bis ich meinen kleinen Rucksack wieder habe inklusive Reisepass…
Ich fahre zur Ubahnhaltestelle ВДНХ und steige dort in die Bahn zu meinem Hostel. Da steht mir noch so ein Monument vor der Linse herum. Das mit den Helden haben sie echt raus.
Und dann muß ich aber los, damit ich meinen Zug noch kriege heute Abend 23:18 ab Kasanskaja nach Rostov am Don.
Zweimal steige ich mit Gepäck um im Bahnsystem, da habe ich jetzt schon Übung. Überhaupt die Metro – das wäre ein eigenes Kapitel wert. Sie ist wirklich so, auch wenn der Prunk überall bröckelt. Alles für die Hauptstadt!
Sie haben ein tolles System: Die nächsten Stationen und die Umsteigestationen wurden an die Wand genagelt und man braucht keine App und kein Internet, um klar zu kommen.
Am Bahnhof bin ich pünktlich, der Zug ist pünktlich, also können wir los.